Zehn Minuten! Tipps für eine komprimierte, sexy gcmcuc.zip-Session

Gamer, Science Slammer und Experte für aktives Lernen und Rhetorik Mogan Ramesh teilt mit euch seine Tipps für eure 10-Minuten-Sessions. Wie fokussiert man ein Thema, über das man eigentlich stundenlang reden kann, auf das Wesentliche? Wie verbindet man Unterhaltung mit Wissensvermittlung? Welche Tricks aus dem Storytelling gibt es?

Wenn wir Vorträge halten, dauern sie meistens mindestens eine halbe Stunde. So ist das auf Konferenzen, an der Uni – und auch normalerweise beim GameCamp Munich. In diesem Jahr ist aber alles anders beim Barcamp rund um Games, Gameskultur und Gamesentwicklung: Als gcmuc.zip wird es rein online – und knackiger, kürzer, komprimierter. 

Die diesjährigen Sessions dauern nur noch 10 Minuten plus weitere 10 Minuten Diskussion. Dass dieses kurze Format sehr gut funktionieren kann, zeigt beispielsweise ein Blick zu den Science Slams. Dort werden Informationen unterhaltsam und kreativ in einem zehnminütigen Talk verpackt. Nicht zuletzt deswegen sind Science Slams eine unserer Inspirationen für das #gcmuc21.

Wir haben mit einem gesprochen, der Bescheid weiß: Mogan Ramesh spielt Computer- und Videospiele, seit er laufen kann, ist Science und Poetry Slammer und ist auch beruflich als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei ProLehre an der TU München ganz mit der Verbesserung von Wissen(schafts)skommunikation beschäftigt.

(c) https://www.prolehre.tum.de/ueber-uns/team/mogan-ramesh/

3 Tipps von Mogan Ramesh für eure 10-Minuten-Session

  1. Nehmt noch einmal etwas Abstand, bevor ihr mit dem Schreiben eurer Session beginnt: Was sind eigentlich der Kern und die Relevanz eures Themas? Was fasziniert euch an dem Thema? Was ist das zentrale Probleme und warum ist es das? Auf welche Lösung wollt ihr am Schluss hinaus? Welches Wissen könnt ihr beim Publikum voraussetzen?
  2. Macht euch den Aufbau eurer Session bewusst: Einleitung, Hauptteil, Schluss (duh). Eine gute Faustregel ist, jeweils etwa drei Minuten für Anfang und Ende einzuplanen, die restlichen vier Minuten für den Mittelteil.
    • Die Einleitung beantwortet folgende Fragen: Wer seid ihr und welche Fragestellung bringt ihr mit? Was ist das grundlegende Problem, das ihr in eurer Session behandelt? Warum ist das überhaupt ein interessanter Konflikt?
    • Der Hauptteil spannt den Bogen von der Einleitung zum Schluss. Daher kann es sinnvoll sein, mit diesen beiden äußeren Teilen anzufangen. Der mittlere Teil eurer Session zeigt dann die einzelnen Schritte vom Problem bis zur Lösung. Grenzt daher ein, welchen Abschnitt ihr beleuchtet! Der Bogen zwischen Anfang und Ende muss bei dieser kurzen Zeit relativ eng sein, damit all eure Erzählschritte (kognitiv und/oder emotional) nachvollziehbar bleiben: Teilt eure Emotionen, Gedanken und Erfahrungen und nehmt das Publikum auf diese Reise mit, damit es am Schluss versteht, wie ihr zu dieser Lösung gekommen seid.
    • Der Schluss zeigt die Transformation des anfänglichen Problems. Wie verändert eure Lösung das Problem? Gibt es Folgeprobleme? Gebt dem Publikum ein Closure-Gefühl mit – vielleicht hat es etwas gelernt, vielleicht ist es inspiriert. In jedem Fall muss klar werden, was eure Lösung verändert hat oder noch verändern kann.
  3. Probiert aus, mischt Formate und versucht, die beste Erzählform für eure Session zu finden. Es muss nicht immer die Power-Point-Präsentation mit zehnminütiger Rede sein. Gerade Kurzformate eignen sich zum Experimentieren.

Science Slammer Mogan im Gespräch mit dem GameCamp-Team

GameCamp: Wir sind es gewohnt, eher lange Vorträge zu halten. Entsprechend sind wir erst einmal etwas verunsichert, wenn es heißt “maximal 10 Minuten”. Wie konzentrieren wir uns auf das Wesentliche?

Mogan: Ich frage mich immer: Was lässt sich gut erzählen? Wie kann ich mein Problem (mein Games-Projekt, meine Forschung, meine Beobachtungen und Erfahrungen etc.) präsentieren, sodass es eine gute Geschichte wird? Dafür probiere ich im Kopf ein paar Ideen aus. Das heißt ich mach eine Stoffsammlung und bringe die Ideen in eine Reihenfolge, die eine Geschichte erzählt. Das ist oft nicht so einfach. Manchmal bin ich mir auch gar nicht sicher, was denn eigentlich mein Ausgangsproblem ist. Ein guter Tipp dafür ist, sich einfach mal einen zweiten Blick von außen zu holen und im Dialog den Grundkonflikt zu suchen. Oder ich gehe in mich, was ich denn wirklich interessant finde. Das ist dann auch meistens der Kristallisationspunkt für den Beginn eines Narrativs.

GC: Du bist erfahrener Science Slammer und erstellst jetzt kurze Lehrvideos. Was fasziniert dich an dem Kurzformat, egal ob das jetzt ein informatives Video, ein Science oder ein Poetry Slam ist?

M: Mich begeistert vor allem die Intensität. Man gibt zehn Minuten Vollgas. Bei einem langen Vortrag kann man nicht mit 110 km/h loslegen, stattdessen man muss sich die Energie einteilen. Bei zehn Minuten kann man alles was man hat, auf einmal reinpacken. Man erlebt selber alle Emotionen der Reise und hofft, dass das auf das Publikum überspringt. Man kann komplett aus sich rausgehen, weil einem die Luft nicht ausgeht.

Außerdem ist die Herangehensweise an einen kurzen Vortrag ganz anders als an einen langen. Bei einem so überschaubaren zeitlichen Rahmen schleift man viel mehr an Details: Brauche ich diesen Satz wirklich? Ist die Formulierung gut? Kann das nicht anders geschmeidiger werden? Das folgt im Prinzip dem Gedanken “easy to learn, hard to master”. Das Ziel ist klar: halte einen 10-minütigen Vortrag. Aber zu diesem Ziel führen zig Wege und man kann sich stetig verbessern. Aus einem ähnlichen Grund liebe ich Rainbow Six: Siege. Es spielen 5 gegen 5 und die Angreifer müssen die Bombe entschärfen. Aber die Art und Weise, wie man die Fähigkeiten der Operatoren und die Zerstörbarkeit der Karte zum eigenen Vorteil nutzt, sind nahezu unbegrenzt.

GC: Welche Herausforderungen siehst du beim Kurzformat? Wie können wir diesen im Vorfeld vorbeugen?

M: Am Anfang fehlt einem oft das Gespür dafür, was ein Publikum interessant findet. Man verfällt oft in eine Vortragsart, die man auch aus der Uni kennt: In Vorlesungen werden Fakten über Fakten präsentiert. Was aber spannend ist, sind Widersprüche. Das mag vielleicht etwas kontraintuitiv sein, aber man muss eine neue Liebe für Konflikte entwickeln. Man darf keine Angst haben, über Dinge zu sprechen, die auf den ersten Blick unvereinbar scheinen.

Genau da horchen wir als Zuhörer auf: Denn wir wollen wissen, wie das Herzensprojekt mit nur 2 Entwicklern und begrenztem Budget zum Erfolg werden konnte (z.B. Hotline Miami). Wir wollen erfahren, wie ein gelangweilter Bauernjunge auf einem Wüstenplaneten ein galaktisches Imperium zu Fall bringt. Kurz: Wir wollen dabei sein, wenn Menschen etwas Schwieriges oder Unwahrscheinliches schaffen. Wenn ihr in eurem Thema also noch keine finalen Antworten habt, ist das manchmal sogar besser als wenn ihr mit einer “perfekten” Lösung aufwartet, mit der ihr das Publikum belehrt. Eure Unsicherheit ist keine Schwäche, sondern eine Stärke – das macht euer Thema erst interessant.

GC: Was hat Storytelling mit Vorträgen zu tun? Wie kann ich einen roten Faden durch meinen Talk ziehen? 

M: Eine Geschichte hat immer einen roten Faden: Es muss um eine Person, einen Gegenstand oder ein Problem gegen, an dem alles aufgehängt ist und das gleich bleibt. Gleichzeitig ist da aber auch ein transformativer Effekt: Um den roten Faden oszillieren dann verschiedene Perspektiven und Dynamiken. Zum Beispiel hat man immer denselben Protagonisten, aber es gibt verschiedene Situationen, in denen er sich behaupten muss – was ihn dann natürlich verändert. Der Bauernjunge Luke ist am Ende der Star Wars Trilogie nicht mehr der gleiche. Er durchläuft eine nachvollziehbare, interessante und auch notwendige Transformation. Nur mit dieser Veränderung in Luke – in seinem Charakter, seinen Fähigkeiten, seinem Wissen – kann die Geschichte voranschreiten. Unsere Projekte sind im Prinzip Luke Skywalker. Sie wachsen und verändern sich. Und das ist Storytelling.

GC: Storytelling ist nicht die einzige Möglichkeit, einen einnehmenden Vortrag zu gestalten. Memes, Requisiten, Musikeinlagen, animierte Präsentationen: Science Slams sollen nicht nur informativ, sondern auch unterhaltsam sein. Das gleiche gilt für die Sessions beim gcmuc.zip. Wie schaffen wir das? Was sind gängige Herangehensweisen und Tipps?

M: Ich selbst verwende meistens Power Point Präsentationen. Manchmal habe ich auch keine visuelle Untermalung und rede nur. Das kann auch super spannend für das Publikum sein. Einmal hab ich bei einem Science Slam sogar ein Gedicht vorgetragen, also Poetry und Science Slam verbunden. Mischt Formate, auch wenn es am Anfang vielleicht als Widerspruch sein könnte.

Ich kann mir auch vorstellen, einfach Dinge zu zeigen, ohne viel zu reden. Requisiten sind schließlich auch eine Art des Storytellings! Zum Beispiel kann ich drei verschiedene Prototypen meines Games nebeneinander legen. Ich präsentiere alle drei und zeige die Evolution meines Spiels als Geschichte. Das ist Storytelling! Die Prototypen sprechen für sich. Aus ähnlichem Grund funktioniert auch environmental Storytelling: Zu Beginn von Dark Souls 3 kämpfe ich mich auf den Burgzinnen des ersten Levels durch Gegnerhorden und schreite an toten Drachen vorbei, die in den Ruinen der Burgmauer liegen. Mir muss hier niemand erklären, dass eine Schlacht stattgefunden hat, diese majestätischen Drachen dabei eine Rolle gespielt haben und dass in dieser Welt Waffen existieren, die diese Riesen aus der Luft schießen können. All das transportiert Dark Souls, ohne dass es mir jemand sagt.

GC: Bei Tage bist du Experte für aktive Lehre und Rhetorik und bei Nacht manchmal auch Poetry Slammer. Hast du aus dieser künstlerischen Aktivität etwas gelernt, das sich für die Wissensvermittlung anwenden lässt bzw. für das gcmuc.zip? 

M: Wie ich Gedichte schreibe ist so, wie ich Vorträge schreibe: Alles ist bei mir Geschichte. Auch ein Stilmittel wie der Reim kann etwas humoristisches haben und vielleicht sogar dem Verständnis auf die Sprünge helfen: Reim und Inhalt können zusammen fallen und kann sich so stärker einprägen. Auch wie man Stimme einsetzt, kann Inhalte unterstreichen und beim Verständnis helfen. Da muss man einfach ein bisschen ausprobieren und finden, womit man sich wohl fühlt.

Hier haben wir noch Links zu zwei Science Slams: